Donnerstag, 18. Februar 2010
Predigt im Neujahrsgottesdienst in der Frauenkirche Dresden
„Euer Herz erschrecke nicht – glaubt an Gott und glaubt an mich“ – so lautet die Losung, die uns für das neue Jahr 2010 mit auf den Weg gegeben ist. Das ist eine wunderbare Zusage an einem ersten Januar. Denn wir stehen ja am Beginn eines neuen Jahres meist in einer Spannung zwischen der Hoffnung, dass alles gut wird, und den Ängsten, dass Schweres auf uns zukommen könnte.
Die Jahreslosung für 2010 ist zuallererst eine Ermutigung: nicht erschrecken! Habt keine Angst! Mit Gottvertrauen sollen wir in das neue Jahr gehen: Glaubt an Gott und glaubt an mich.
Hört sich das nicht etwas naiv an, diese Antwort auf das Erschrecken: glaubt an Gott? Das klingt so einfach. Mich erinnert das an einen Satz, den ich auf vielen Karten gelesen habe, die ich letzte Weihnachten erhielt: „Alles wird gut!“ Das ist offenbar eine ganze Serie - herausgegeben von einer Fernsehmoderatorin. „Alles wird gut!“ Ist das die christliche Botschaft, die uns die Jahreslosung mitgibt, habe ich mich gefragt. Eine Hoffnung ist das schon. Alles soll gut werden! Ein neues Jahr beginnt. Da wünschen sich viele Menschen, dass die Sorgen unserer Welt irgendwie aufgehoben sein könnten.
Und diese Hoffnung packt zum Jahreswechsel auf wundersame Weise unsere ganze Gesellschaft, so verschieden wir auch sonst sind. Der Briefträger ruft mir zu: „Frohe Neues!“ Die junge Frau an der Kasse sagt: „Guten Rutsch auch!“ Die Mitarbeiterin verabschiedet sich fröhlich: „Auf eine Neues nächstes Jahr“. Neu. Vorfreude. Neugier auch. Der Neubeginn als Chance. Wir dürfen gespannt sein, was kommt. Voller Hoffnung und Erwartung. Alles ist gut. Oder wie Xavier Naidoo in seinem neuen Lied singt: „Alles kann besser werden!“ Das ist ein schönes Gefühl. Und das dürfen wir auch zulassen.
Aber – ja, auf dieses Aber haben Sie sicher schon gewartet. Denn leider ist eben nicht alles gut. Wir haben allen Grund, zu erschrecken. Damit ist nicht ein lustiger Spaß nach dem Motto: huch, da habe ich mich erschrocken gemeint! Kein Halloweenunfug oder Horrorfilm oder Scherz. Nein, es geht hier um echtes Erschrecken, tiefe Erschütterung, Lebensangst in einer existentiellen Dimension.
Wenn unser Herz so erschrickt, dann ist unser Leben zutiefst berührt. Unser Herz, das ist in der Bibel der Ort, an dem der Mensch nichts verbergen kann. Da kommen Fühlen und Denken zusammen, unsere ganze Existenz ist im Spiel, wenn es um das Herz geht. Da geht es um die elementaren Fragen unseres: Wer bin ich überhaupt? Macht mein Leben Sinn? Wo will ich hin? Wie will ich diese Situation bewältigen? Mein Gott, ich weiß nicht weiter!
Erschrecken - weil ich erkenne, dass es keine Perspektive gibt für mein Leben. Ich werde nicht mithalten können beruflich, in der Schule, im Leistungssport. Erschrecken - meine Ehe wankt, ich befinde mich in einem Hamsterrad, So geht es nicht weiter. Erschrecken - ich habe Schuld auf mich geladen. Das kann ich nicht wieder gut machen, da gibt es keinen Weg zurück. Erschrecken - ich bin krank, ich werde sterben. Das muss ich begreifen: mein Leben ist endlich.
Liebe Gemeinde, wenn wir so von tiefstem Herzen erschrecken, dann steht unser ganzes Leben auf dem Prüfstand. Allzu oft weichen wir davor lieber aus. Der Jugendliche hängt vor dem Computer ab, die alte Dame schaut Fernsehen, der Geschäftsmann betrinkt sich, die Familienmutter geht einkaufen. Klischees, ja, ich weiß. Aber sie stehen für Fluchtmanöver, die das Erschrecken verdrängen sollen.
Sich selbst konfrontieren mit den großen Fragen des Lebens, mit dem was mein Leben in Frage stellt, das braucht Mut und Vertrauen. Gottvertrauen, wie Jesus es meint mit dieser Aufforderung: Glaubt an Gott und glaubt an mich. Vertraut euch an! Ihr könnt nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Und Gott weiß etwas vom Leben, weil er eben nicht in fernen Himmelswelten blieb, sondern mitten unter uns war, auch Leid, Sterben und Tod kennt. An ihn glauben heißt, die Spannungen unseres Lebens auch im neuen Jahr nicht ausblenden, sondern mutig aus Gottes Hand nehmen, was kommt und unser Leben verantwortlich gestalten so gut wir es vermögen. Wenn wir beten, nehmen wir diese
Haltung an: Vertrauen wagen und Mut erbitten.
Im Altarbild von Johann Christian Feige sehen wir in dieser wunderbaren Kirche, wie die Bewegung des betenden Christus von einem Engel aufgenommen wird. Bei dem Engel mag der Künstler an das Lukasevangelium gedacht haben: „Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn“, heißt es dort. Seine Geste hat etwas Segnendes, aber auch etwas Wegweisendes. Darauf hoffen wir am Beginn eines neuen Jahres, auf Segen und auf Wegweisung. Betend wie Christus wünschen wir uns gehalten und getragen zu sein durch die Höhen und Tiefen, die da kommen mögen, auch dann, wenn wir erschrecken. Im Gebet erfahren wir die Ermutigung, uns einzubringen in diese Welt.
Unter dem Hinweis auf diesen Engel bestärkte der Dresdner Oberhofprediger Philipp Jacob Spener seine Predigthörer mit den Worten: „Mangelts an Menschen, und sehen wir um uns keinen Halt, so solle uns vom Himmel ein Engel trösten, das ist, Gott wird uns so unvermutet Trost lassen zukommen, als ob er einen Engel vom Himmel sendete: entweder von innen selber in unsern Seelen ... oder dass er andere zu uns schicket, die unser Engel werden."
Nein, noch nicht vollkommen Gottes Reich, in dem alle Tränen abgewischt sein werden, aber wir können einander zu Engeln werden, zu Boten Gottes. Gott lässt sich nicht greifen, nicht auf eine Festplatte speichern, nicht einsperren, auch nicht in Kirchen. Aber Gott lässt sich erfahren in unserem Leben wo wir Trost finden, begleitet und getragen werden, Umkehr möglich machen, Vertrauen erfahren. „Euer Herz erschrecke nicht“ – das aber ist sozusagen die Visitenkarte Gottes. Wir dürfen darauf vertrauen: Gott will uns begleiten auf allen unseren Wegen - Gottes Engel weichen nie. Es gibt einen Kontrast zwischen Gottes Zusage und unserem unfertigen, unvollkommenen Leben. Das ist offensichtlich. Da ist eine Verheißung spürbar, aber die Realität ist knallhart…
Denn Erschrecken gibt es ja nicht nur im persönlichen Leben, sondern auch mit Blick auf unsere Welt.
Nichts ist gut in Sachen Klima, wenn weiter die Gesinnung vorherrscht: Nach uns die Sintflut! Da ist Erschrecken angesagt und Mut zum Handeln, gerade nach dem Klimagipfel in Kopenhagen.
Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. Wir brauchen Menschen, die nicht erschrecken vor der Logik des Krieges, sondern ein klares Friedenszeugnis in der Welt abgeben, gegen Gewalt und Krieg aufbegehren und sagen: Die Hoffnung auf Gottes Zukunft gibt mir schon hier und jetzt den Mut von Alternativen zu reden und mich dafür einzusetzen. Manche finden das naiv. Ein Bundeswehroffizier schrieb mir, etwas zynisch, ich meinte wohl, ich könnte mit weiblichem Charme Taliban vom Frieden überzeugen. Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen. Das kann manchmal mehr bewirken als alles abgeklärte Einstimmen in den vermeintlich so pragmatischen Ruf zu den Waffen. Vor gut zwanzig Jahren haben viele Menschen die Kerzen und Gebete auch hier in Dresden belächelt…
Nein, es ist nicht alles gut, wenn so viele Kinder arm sind im eigenen Land. Diese Kinderarmut versteckt sich oft ganz still im Hintergrund. Da erzählt mir eine Mutter, dass die Klasse ihres 15-jährigen Sohnes eine Reise ins Ausland geplant habe. Sie konnte das erforderliche Geld nicht aufbringen. Die Klasse wollte ihn unbedingt dabeihaben und gemeinsam haben sie das notwendige Geld aufgetrieben. Aber der Sohn wollte nicht mitfahren, weil er sich zu sehr geschämt hat, dass andere für ihn bezahlen. Selbst als der Lehrer anrief, ließ sich ihr Sohn nicht umstimmen. Er blieb als Einziger zuhause.
Nichts ist gut, Erschrecken ist angesagt, wenn es in einer Gemeinschaft so schwer, so beschämend ist, Hilfe anzunehmen bei Jungen und Alten, bei Armen, Kranken und Behinderten. Da braucht es einen tatkräftigen Glauben, der für die Würde jedes Menschen eintritt.
Es ist nicht gut, nein, es ist entsetzlich traurig, wenn ein Spitzensportler Angst hat, seine Depression offiziell behandeln zu lassen. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn seine Krankheit öffentlich bekannt geworden wäre, hätte er kaum weiter Nationaltorwart bleiben können. Dass sein Tod so viele Menschen berührt hat liegt wohl auch daran, dass Robert Enke stellvertretend für die Ängste vieler steht. Sie wurden an die Abgründe der eigenen Angst erinnert. Der Angst nämlich, nicht mehr mitzuhalten und nicht mehr eine Fassade von Größe, Schönheit und Stärke aufrechtzuerhalten.
Nichts ist gut, wir erschrecken, wenn wir erkennen, wie bei uns eine solche Atmosphäre der Gnadenlosigkeit herrscht und alle immer stark sein müssen – wie unmenschlich! Da haben wir Zeugnis zu geben von der Nächstenliebe, die unserem Glauben entspringt.
Nein, es ist nicht alles gut. Aber trotzdem müssen wir nicht deprimiert oder mit gesenktem Haupt ins neue Jahr gehen. „Seht auf und erhebt eure Häupter“ heißt es in der Bibel. Aber ja doch! Wir glauben an den auferstandenen Christus und nicht an einen Toten. Wir haben Hoffnung für diese Welt und über diese Welt hinaus. Deshalb können wir die Spannung aushalten zwischen Erschrecken und Gottvertrauen, zwischen Ängsten und Mut zur Weltverbesserung. Wir können fröhlich feiern, ohne Fassaden. Denn unser Glaube blendet Leid und Kummer in der Welt nicht aus! Das ist für mich entscheidend. Schon im Stall von Bethlehem war wahrhaftig nicht alles gut. Jesus wurde in Armut geboren. Der Vater ahnt, dass eine Flucht bevor steht, die junge Mutter ist allein in der Fremde. Aber Christinnen und Christen glauben, dass in dem Kind in der Krippe Gott selbst Mensch wurde - mit Windeln und Wickeln, mit Haut und Haaren, mit Freud und Leid.
Gott ist kein einsamer Himmelsherrscher, sondern mitten unter uns wie ein Freund oder eine Schwester, wie ein Mensch, der etwas weiß von den Höhen und Tiefen des Lebens, von Liebe und Glück, aber auch von Ängsten und Sorgen. Dieser Glaube führt gewiss nicht dazu, dass alle Mühen und Ängste, aller Schrecken und alle Fragen unserer Welt aufgehoben sind. Als Christen sind wir eben gerade nicht weltfremd oder weltentrückt! Aber wir glauben, dass die Lebenszusage Gottes diese Welt mit ihren vielen Sorgen verwandeln kann. Sie ermutigt uns, gegen das Erschrecken anzutreten in dieser Welt. Indem wir den einsamen alten Nachbarn besuchen, dem Jungen die Scham nehmen und offen darüber sprechen, was Armut bedeutet. Indem wir gegen Feindbilder antreten. Oder einen nachhaltigen Lebensstil praktizieren. Viele kleine Schritte sind möglich jeden Tag. So gewinnt nicht das Erschrecken Oberhand, sondern Gottvertrauen.
Ja, wir alle würden gern ganz persönlich und für diese ganze Welt erfahren, dass das Leben heil werden kann. Danach hört sich die Botschaft doch an: "Euer Herz erschrecke nicht". Jesus Christus will Heiland für uns sein. Die Realität aber ist: der Alltag. Und die Erfahrung: Vieles gelingt, vieles scheitert. Die Welt bleibt unerlöst, es wird nicht alles heil. Gott setzt die bessere Welt nicht mit Gewalt und Waffen durch. Wir hoffen weiterhin auf Gottes Zukunft, so sehr wir hier und jetzt Zeichen von Gerechtigkeit und Frieden setzen wollen. Vielleicht wenigstens besser.
Das wissen wir doch alle: Es gibt kein perfektes oder makelloses Leben. Brüche in unserem Leben kennen wir alle. Deshalb ist es wichtig, einmal still zu werden, zur Ruhe zu kommen. Schön, wenn eine Gesellschaft das zumindest zur Jahreswende noch kann.
Wolfgang Dietrich schreibt:
Es ist ein Gesang in der Welt. Horcht doch!
Selbst die Sterne lauschen herab.
Der Gesang singt zum Leben.
Er nimmt sich Flügel und fliegt bis zum äußersten Ende der Erde.
Da heben die Trostlosen ihr Haupt.
Elende werden heimisch.
Waisen tragen königliche Kronen.
Und selbst aus verdorrten Bäumen weckt der Gesang unverwelkliche Blätter.
Als die Entwurzelten und wir wurzeln uns ein.
Als die Verdorrenden und wir treiben das Blatt.
Als die Saftlosen und wir bringen die Frucht.
Als die Umherirrenden und uns grüßt der Stern.“
Hören wir also! Gehen wir unseren Weg von Gottvertrauen getragen. Auch da, wo wir trostlos oder verdorrt sind, können wir Wurzeln treiben und Frucht bringen. Denn unser Leben steht unter der Zusage: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Oder auch: "Gottes Engel weichen nie" - das feiern wir, das leben wir, davon singen wir, darauf vertrauen wir auch am Beginn eines neuen Jahres. Das ist eine ganz eigene Melodie für unser Leben, die wir hören und unsere Hoffnung, auf die wir bauen.
Schön, wenn wir glücklich sind. Dann können wir dankbar sein. Aber wir wissen, wie verletzbar unser Glück ist, unsere Beziehungen sind, dafür sind wir am Beginn eines neuen Jahres besonders sensibel. Da kann es Veränderungen geben, Krankheit, Scheitern und Sterben. „Alles wird gut“ ist viel zu banal. Als Christinnen und Christen sagen wir stattdessen: Erschrecken wir nicht! Alles ist aufgehoben bei Gott. Ich kann darauf vertrauen, Gott begleitet mich in den Höhen und Tiefen meines Lebens. Ob ich allein bin oder in Gemeinschaft, fröhlich oder sorgenvoll, erfolgreich oder gescheitert, in ruhiger Bahn oder an einem Wendepunkt. Ich darf mich anvertrauen! Und ich darf mich ermutigt wissen, selbst zu handeln, meinen Teil beizutragen, damit das Erschrecken geringer wird in dieser Welt. Wenn viele Menschen viele kleine Schritte gehen, kann sich das Gesicht der Erde verwandeln…
Lasst uns also mit Gottvertrauen und Mut in dieses neue Jahr gehen. Unser Herz muss nicht erschrecken, wir sind gehalten und wir können halten, wir sind ermutigt und können andere ermutigen, wir sind durch den Glauben veränderte Menschen und können etwas verändern, damit andere nicht länger erschrecken müssen.
Das hören und annehmen können, bedeutet, gesegnet sein. Dankbar, froh, aber eben auch gehalten, getragen in den Zeiten von Fragen, Auseinandersetzung und innerer Unruhe.
So wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Neues Jahr. Amen.
Mit freundlicher Genehmigung der Evangelischen Kirche Deutschlands (www.ekd.de
Mittwoch, 20. Januar 2010
Sie glauben, das bisschen Alkohol kann doch nicht schädlich sein?
Richtig: Der Konsum alkoholischer Getränke ist grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von akuten und chronischen (psychischen und somatischen) Erkrankungen und sozialen Problemen verbunden. Die risikoarme Schwellendosis im Umgang mit Alkohol liegt für einen Mann bei 24 g Alkohol pro Tag und bei einer Frau bei 12 g Alkohol pro Tag. Diese Grenzwerte gelten für gesunde Menschen ohne zusätzliches genetisches oder erworbenes Risiko. Darüber hinaus sollte diese risikoarme Trinkmenge nicht jeden Tag getrunken werden. Zu Ihrer Information: 12 bzw. 24 g Alkohol entsprechen etwa 0,3 bzw. 0,6 l Bier oder 0,15 bzw. 0,3 l Wein mit einem durchschnittlichen Alkoholgehalt. (Wissenschaftliches Kuratorium der DHS; International Agency for Research on Cancer)
Sie glauben, Tabak hat etwas mit Krebs zu tun, aber doch nicht Alkohol?
Falsch !
Richtig: Alkohol erhöht das Risiko an Krebs zu erkranken. Im Februar 2007 bewerteten Experten im Auftrag der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) den Einfluss von Alkohol auf das Krebsrisiko neu. Sie kamen zu dem Schluss, dass Alkohol und Krebsrisiko eindeutig verknüpft sind.
Die Experten rechneten Alkoholkonsum sogar zu den weltweiten "Top Ten" der Krebsrisikofaktoren. Das wichtigste und giftigste Zwischenprodukt der Verstoffwechselung von Alkohol ist Acetaldehyd, welches in der Forschung als Krebs auslösend (karzinogen) beschrieben wird. Besonders häufig sind durch Alkohol verursachte Tumore im oberen Verdauungstrakt (Speiseröhre, Mundhöhle und
Rachenraum), an der Leber und im Dickdarm/Enddarm sowie bei Frauen in der Brust. Über eine chronische Entzündung und Verfettung der Leber kann Alkohol zu einer so genannten Schrumpfleber führen, die wiederum ein hohes Krebsrisiko darstellt: Frauen, die täglich etwa 20 Gramm Alkohol – ca. ein Viertel Wein oder 0,5 l Bier – trinken, haben ein um das sechsfach erhöhte Risiko, an dieser auch als Zirrhose bezeichneten Leberschädigung zu erkranken. Bei Männern liegt die Grenze bei täglich
etwa 40 Gramm. In den Industrienationen werden die meisten Leberkrebsfälle durch diese Spätfolge chronischen Alkoholkonsums ausgelöst. Auch das Risiko für Brustkrebs bei Frauen erhöht sich bei Alkoholkonsum in Abhängigkeit von der Dosis in allen Altersgruppen. (Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, Krebsinformationsdienst; H.K. Seitz & F. Stickel [2007], Molecularmechanisms of alcohol-mediated carcinogenesis, Nature Reviews Cancer 7, 599-612; P. Anderson &
B. Baumberg [2006] Alcohol in Europe)
Sie glauben, striktere Gesetze in Bezug auf Alkohol bringen nichts, - das sieht
man doch in Norwegen und Schweden?
Falsch !
Richtig: Norwegen und Schweden sind für eine strikte Alkoholpolitik bekannt. Als Beleg für das Scheitern dieser Politik werden gerne die zahllosen Betrunkenen auf den Fähren zwischen Skandinavien und Deutschland angeführt. Dieses Beispiel ist ungefähr so aussagekräftig, als würde man den Alkoholkonsum in Deutschland anhand des Konsums in und um Bahnhöfen herum oder während eines Volksfestes bewerten. Richtig ist dagegen, dass Norwegen und Schweden in Europa zu den Ländern mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Konsum von Alkohol gehören, nämlich 4,4 l und 4,9 l pro Kopf reinen Alkohols gegenüber 10,2 l pro Kopf in Deutschland (Zahl für 2003, DHS). Dies gilt selbst dann, wenn geschmuggelter und illegal gebrannter Schnaps mit einbezogen wird. Auch der Konsum von Spirituosen ist mit 2,9 bzw. 2,5 l pro Kopf (Zahl für 2005, BSI) deutlich niedriger als z. B. in Deutschland mit 5,7 l pro Kopf (Zahl für 2005, BSI). (P. Anderson & B. Baumberg [2006] Alcohol in Europe; DHS Jahrbuch Sucht 2007, Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und – Importeuere e.V. Daten aus der Alkoholwirtschaft 2007)
Sie glauben, der Preis für Alkoholika hat keinen Einfluss auf Ihren
Alkoholkonsum?
Falsch !
Richtig: Keine andere alkoholpolitische Maßnahme ist so intensiv beforscht worden wie die Auswirkung von Preisänderungen bei Alkoholika, z.B. durch höhere oder niedrigere Steuern, auf den Alkoholkonsum. Wenn alkoholische Getränke teuerer werden, sinkt der durchschnittliche Pro-Kopf Konsum von Alkohol, fällt der Preis steigt der Verbrauch an. Das gilt auch für Deutschland. Einen besonders großen Einfluss haben Preiserhöhungen auf den Alkoholkonsum von Jugendlichen und von starken Trinkern (Chaloupka, Grossmann und Saffer 2002. The effects of price on alcohol consumption and alcohol-related problems. Alcohol Research and Health. 26, 22-24; P. Anderson & B. Baumberg [2006] Alcohol in Europe; Institute of Alcohol Studies, Fact Sheet „Alcohol: Tax, Price and Public Health).
Sie glauben, in Finnland und Polen wird mehr Alkohol getrunken als in
Deutschland?
Falsch !
Richtig: In Finnland und Polen wird weniger Alkohol getrunken als in Deutschland, nämlich 7,9 l reiner Alkohol pro Kopf (Finnland) bzw. 6,7 l (Polen) gegenüber 10,2 l in Deutschland. Dies Verhältnis gilt auch, wenn man geschmuggelten Alkohol und illegal gebrannten Schnaps mitzählt. (Jahrbuch Sucht 2007, DHS; P. Anderson & B. Baumberg [2006], Alcohol in Europe)
Sie glauben, Spanien ist ein Land der Weintrinker?
Falsch !
Richtig: In Spanien wird der konsumierte Alkohol mehr in Form von Bier getrunken als in Form von Wein. Die Trinkgewohnheiten in Nord- und Südeuropa gleichen sich immer mehr an. (Preferences for Alcoholic Drinks in Europe, 2002, WHO Health for All Database)
Sie glauben, Alkohol ist ein Kulturgut?
Falsch !
Richtig: Alkohol und Alkoholkonsum haben nicht generell mit Kultur, aber viel mit Unkultur zu tun. Weinanbau und Alkoholkonsum haben zwar eine lange Tradition in Europa, von „Kultur“ kann man aber nur sprechen, wenn Alkohol in sehr geringen Mengen und zu bestimmten Zeiten und Orten getrunken bzw. gar nicht getrunken würde. Alkoholbedingte Verkehrstote und -verletzte, verprügelte Frauen und Kinder sowie Suizide von Jugendlichen sind die Kehrseiten der Medaille „Kulturgut“, die die Gesellschaft nur ungern wahrhaben möchte:
In Deutschland geschehen jährlich über 50.000 Verkehrsunfälle, bei denen Alkohol im Spiel ist. Bei über 22.000 davon kommt es zu Personenschäden. Im Jahr 2005 starben bei diesen Unfällen 603 Menschen und 27.833 wurden verletzt. Alkoholunfälle mit Personenschaden haben eine überdurchschnittliche Schwere: während bei allen Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2005 auf 1.000 Unfälle 16 Getötete und 229 Schwerverletzte kamen, so waren es bei den Alkoholunfällen mit Personenschaden 27 Getötete und 364 Schwerverletzte je 1.000 Unfälle (Statistisches Bundesamt
[2006]. Verkehr – Alkoholunfälle im Straßenverkehr).
Alkohol kommt auch Bedeutung zu im Rahmen von interpersoneller Gewalt. Es besteht eine starke Verknüpfung zwischen Alkholkonsum und dem individuellen Risiko Gewalttäter oder Gewaltopfer zu werden. Auf diese Verbindung machte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon 2002 mit ihrem Weltbericht über Gewalt und Gesundheit aufmerksam.
Bei häuslicher Gewalt sind die Täter überwiegend männlich und die Opfer weiblich. Kinder und Jugendliche sind von Gewalt im familiären Bereich ebenfalls betroffen, direkt oder indirekt, wenn sie Gewaltszenen miterleben. Alkoholkonsum ist nicht so sehr der Grund für Gewalttätigkeit, sondern wirkt eher als Auslöser für oder „Beschleuniger“ von Gewalt. Alkoholkonsum und Gewaltausübung wirken gegenseitig als Katalysator: Um die Gewalt des Partners besser ertragen zu können, beginnen
einige Frauen selbst zu trinken und werden so wiederum leichter Zielscheibe für Gewalt. Fast jede dritte Gewalttat in Deutschland wird unter Alkoholeinfluss begangen. Alkoholkonsum wirkt direkt auf die körperlichen und geistigen Funktionen des Menschen. Aufgrund reduzierter Selbstkontrolle reagieren Alkoholtrinkende in Konfrontationen eher gewalttätig als Menschen, die keinen Alkohol getrunken haben. Die verminderte Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, führt bei Alkoholtrinkenden dazu, Warnsignale für potenzielle Gewaltsituationen nicht wahrzunehmen und lässt sie ein leichteres Ziel für Täter werden. (WHO [2002]. World Report on Violence and Health; BMFSF[2004]. Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen; Polizeiliche Kriminalstatistik, Berichtsjahr 2004)
Zwischen Alkoholkonsum und Suizid bzw. Suizidversuchen besteht ein enger Zusammenhang. Vor allem bei starken Trinkern und bei jugendlichen Alkoholkonsumenten ist das Risiko für suizidales Verhalten erhöht, besonders wenn sie unter psychischen Problemen wie Depressionen leiden.
Annähernd 7% der Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit sterben durch Suizid. Die
Selbstmordraten steigen mit erhöhtem Pro-Kopf-Konsum und sind tendenziell dort höher, wo die Trinkkultur durch risikoreiche Trinkmuster im Zusammenhang mit interpersoneller Gewalt charakterisiert ist (Interpersonal Violence and Alcohol Policy, WHO Fact Sheet; A. Fleischmann et al. Completed Suicide and Psychiatric Diagnoses in Young People: A Critical Examination of the Evidence. American Journal of Orthopsychiatry, 2005, Vol. 75, No. 4, 676–683)
(Artikel von Gabriele Bartsch, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.)
Mittwoch, 7. Oktober 2009
Berliner Kampagne gegen Hartz IV
Seit Einführung von Hartz IV waren wir immer wieder entsetzt oder wütend darüber, was Erwerbslose in den JobCentern erleben. Nach und nach haben wir mehr darüber erfahren, wie schwierig Ihre Arbeitsbedingungen sind: Unzureichende Einarbeitung und Weiterbildung – gerade für die vielen befristet Beschäftigten –, immer wieder Ärger mit der fehlerhaften Software, die ständige Konfrontation mit frustrierten Erwerbslosen, der dauernde Druck von oben, Erwerbslose in Maßnahmen zu pressen und sogar Pflichtleistungen einzusparen. Mehr noch: Sie werden in einen permanenten statistischen Vergleich gestellt mit KollegInnen, mit anderen JobCentern, mit anderen Regionen. Das erzeugt Konkurrenz, Arbeitsdruck und Mißtrauen untereinander.
Ähnliches erleben die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen an-derer EU-Länder. Fabienne Brutus, Arbeitsvermittlerin in Frankreich, will nicht mehr schweigen über den Alltag in ihrer Behörde: Sie schrieb ein Buch über die Leiden der Arbeitsu-chenden wie auch der Berater. Sie – und in der Folge mehr und mehr KollegInnen – wollen nicht mehr mitspielen und haben öffentlich erklärt:
„Unsere Aufgabe ist es vor allem, den Arbeitsuchenden zu helfen, eine Beschäftigung zu finden und das erwarten die Arbeitsuchenden von uns. Aber es gibt keine Arbeit für alle. Die Zunahme von Gesprä-chen, die ständigen Aufforderungen zum Besuch der Agentur werden keine Arbeit schaffen, sondern erhöhen nur das Risiko für die Arbeitsuchenden, gezwungen, schikaniert und abgestraft zu werden. (…) Wir weigern uns, falsche Zahlen, unlautere Angebote und leere Unter-haltungen zu produzieren und wir werden unsere beruflichen Praktiken dazu einsetzen, den Nutzern unserer Dienste zu helfen im vollen Respekt ihrer bürgerlichen Rechte.“
(Quelle: www.bj-89.de/isg/index.php?action=fabienne)
Wir wissen, dass es auch hier unter den JobCenter-MitarbeiterInnen eine große Unzufriedenheit gibt. Wir glauben sogar, auf Ihrer und unserer Seite gibt es ähnliche Interessen und Vorstellungen: Zum Beispiel, dass wir eine anders ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik brauchen als die praktizierte, dass Aus- und Weiterbildung wieder stärker möglich sein müssen statt perspektivloser Maßnahmen und Unzufriedenheit auf beiden Sei-ten.
Wie wäre es, wenn wir über diese Dinge ins Gespräch kommen könnten?
Wir würden uns sehr freuen, wenn die eine oder der andere mit uns Kontakt aufnimmt – wenn Sie möchten, selbstverständlich unter Wahrung Ihrer Anonymität.
Sie erreichen uns per E-mail unter kontaktBK@web.de und telefonisch unter (030) 25 32 70 12.
Eine weitere Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, bietet der Workshop „Fabienne gesucht“ am Sonntag, den 22.06.2008 um 14:15 Uhr im Haus der Demokratie (Greifswalder Str. 4 / Prenzlauerberg), der im Rahmen des „Visions of Labor Ratschlag“ stattfindet und zu dem alle Interes-sierten herzlich eingeladen sind.
Die Berliner Kampagne gegen Hartz IV gibt es seit Mai 2004. Sie ist seit Veröffentlichung des Konzepts „Ein-Euro-‚Jobs’ ersetzen!“ bundesweit bekannt.
www.hartzkampagne.de
Mittwoch, 30. September 2009
Der Welt - Geldbetrug , Weltfinanz und die Hintergründe !
Vor allem führt ein Nebeneinander von Währungen, die teils von einer unabhängigen Staatsbank in ihrem Wert gehalten werden - wie die D-Mark - oder andererseits von abhängigen Staatsbanken oder sogar von Privatbanken nach deren jeweiligen Zwecken frei manipuliert werden, zu erheblichen Kursspannungen: Weil die Deutsche Mark durch die Bundesbank relativ wertstabil gehalten wurde, andere wichtige Währungen sich dagegen durch Geldmengenvermehrung und Inflation immer stärker wertminderten (Abwertung), versuchen die Geldwertbesitzer naturgemäß, mit ihren längerfristigen Dispositionen in harte Währungen zu gehen und weiche zu meiden.
Freitag, 25. September 2009
Obdachlosigkeit: Kein Schutz, keine eigenen vier Wände
Arbeitslosigkeit ist eine der Hauptursachen von Wohnungslosigkeit. Mit Hartz IV fallen viele durchs soziale
Netz. Die meisten sind (noch) nicht fähig, eine Arbeit anzunehmen. Sie müssen zunächst durch gezielte Förde- rung dazu befähigt werden. Dazu müssten die Arbeitsmarktinstrumente wieder mit sozialpädagogischen
Hilfen ergänzt werden.
Wohnungslose sind die offensichtlichsten Verlierer des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes, denn seitdem
müssen sie Praxisgebühren und Zuzahlungen für Medikamente selbst aufbringen. Viele können dies nicht,
scheuen den Arztbesuch. Dadurch verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand weiter.
Die Wohnungslosenhilfe trägt durch Beratung und persönliche Betreuung zur Überwindung von besonderen
sozialen Schwierigkeiten und zur Wiedereingliederung der Wohnungslosen in die Gemeinschaft bei. Zu -
nächst werden Grundversorgung und Existenzsicherung gewährleistet. Dazu gehört auch, das Leben auf der Straße möglichst menschenwürdig zu gestalten (Basisdaseinsvorsorge, Leistungen zur Grundversorgung, z. B. Bereitstellen von WC und Dusche). Über die pure Existenzsicherung hinaus trägt die Wohnungslosenhilfe dazu bei, die Wohnungslosen wieder in eine Wohnung, in Arbeit, (Aus-)Bildung und medizinische Versorgung zu vermitteln. Leider gibt es für Angebote wie Tagesstätten, Streetwork etc. keine Regelfinanzierung. Deshalb haben Zuschusskürzungen für kleine Einrichtungen sofort gravierende Folgen. Politische Gremien auf Landes -
ebene wie in den Kommunen müssen immer wieder neu davon überzeugt werden, dass eine angemessene
Finanzierung erforderlich ist.
(Auszug aus: Soziale Manieren für eine bessere Gesellschaft, Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart)
Mittwoch, 23. September 2009
Geschichte der Obdachlosigkeit
Beginnend in der Reformationszeit führte Wandel der Gesellschaft viele Menschen in Armut und Besitzlosigkeit. Der Dreißigjährige Krieg machte zudem sehr viele obdachlos. Bereits vor dem Ende des Deutschen Reiches wurden erste Regeln im Umgang mit den Armen getroffen, wie nach Prüfung auf Bedürftigkeit ausgehändigte Bettelabzeichen, oder Wanderverbote, die eine Gabe von Almosen an ortsfremde Obdachlose unter Strafe stellten.
Im Absolutismus verabschiedete man sich endgültig von der mittelalterlichen Weise im Umgang mit Obdachlosigkeit und ächtete sie. Evangelische Nützlichkeitsethik und Merkantilismus als Wirtschaftssystem begründeten eine gesellschaftliche Moral, in der sich die menschliche Ehre vor allem auf Leistung, materiellen Verdienst, den eigenen Beitrag zur Finanzierung des Staates bezog. Die hierarchisch geprägte Gesellschaft mit unterschiedlichen Klassen sah Arme ohne Erwerbstätigkeit als Plage und zunehmend auch als Asoziale, die umerzogen werden müssen. Zuchthäuser wurden eingeführt, in denen Vagabunden Zwangsarbeit zur Besserung leisten mussten. Die Zuchthäuser stellten einen Produktivitätsfaktor dar, von dem die Gesellschaft profitierte. Ein Zuchthausaufenthalt endete nach der Willkür des Personals in der Regel nur, um Platz für Nachrücker zu schaffen.
Erst mit der Bauernbefreiung änderte sich die gesellschaftliche Situation der Obdachlosen wieder. In den Zuchthäusern waren nur noch Straftäter. Wanderarbeitsstätten versorgten und beherbergten umherwandernde Obdachlose gegen Arbeit. In den überwiegend kirchlichen Einrichtungen herrschten allerdings kaum gute Arbeitsbedingungen. Immer noch stellten Gesetze die Landstreicherei unter Strafe und schränkten die Möglichkeiten der Umherziehenden dadurch stark ein.
Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Obdachlosigkeit gab es erst in der Weimarer Republik. Ludwig Mayer veröffentlichte eine Studie über einen psychologisch begründeten Wandertrieb und sah Obdachlosigkeit als psychische Krankheit. Tatsächlich führte das dazu, dass wegen Landstreicherei kaum jemand verurteilt wurde, weil Psychologen den Wandertrieb diagnostizierten. Den Irrglauben an so etwas gab es wohl ohne neue wissenschaftliche Erkenntnisse bis in die 1970er Jahre, zwischenzeitlich intensiviert: Man dachte, ein bei Nomadenvölkern besonders häufiges Wandergen verursache eine Erbkrankheit. Wegen des imaginären Relikts von Vorfahren der Menschen als Fluchttiere arbeitete die Obdachlosenhilfe mit völlig falschen Ansätzen und hatte selten Erfolg. Erst seit wenigen Jahrzehnten beforscht man ernsthaft nichtsesshafte Obdachlose.
Seit den 1970er nennen Fachkreise das Wohnungslosigkeit, da sonst vorgetäuscht wird, dass die Personen lediglich mit einem Obdach zu versorgen seien. Öffentliches Obdach wird in der Bundesrepublik jedoch nahezu jedem geboten, der nachfragt (Gesetz zur Sicherheit und Ordnung). Um die besondere Lebenslage aber zu überwinden, soll die Schaffung und Bereitstellung von Wohnraum an erster Stelle stehen.